1.–5. Mai 2025
1. Mai – Ankunft in Bilbao: Begegnung und erste Impulse
Nach einer langen und turbulenten Anreise erreichen wir am Nachmittag Bilbao – erschöpft, aber gespannt auf das, was uns erwartet. Gleich beim ersten gemeinsamen Treffen mit den Teilnehmenden aus Frankreich und Spanien spüren wir, dass diese Tage mehr werden als ein gewöhnliches Zusammentreffen und der herzliche Empfang lässt uns zunächst alle Müdigkeit vergessen.
Eine Stadtführung durch Bilbao eröffnet uns erste Eindrücke. Gegen Abend hören wir dem baskischen Historiker Josu Chueca zu, der sich über die Internierung der Basken im französischen Internierungslager Gurs spezialisiert hat.
Ein ungeplanter, aber eindrucksvoller Abschluss des Tages ist das große Fußballspiel zwischen Athletic Bilbao und Manchester United – die Atmosphäre in der Stadt ist euphorisch und mitreißend.
2. Mai – Geschichtsprojekte, Gernika, Gesprächskonzert
Die Nacht verbringen wir in der Schule Lauaxeta Ikastola – und sind überrascht über die Ausstattung: Eine Werkstatt, ein Tiergehege und sogar ein Schwimmbad gehören zum Schulgelände.
Der Vormittag steht im Zeichen der historischen Auseinandersetzung. Teilnehmende Jugendliche aus den drei Ländern stellen persönliche Projekte vor, die sich mit den Folgen von Faschismus, Krieg und Diktatur auseinandersetzen. Wir stellen unser Projekt über den „Dernier Train de Loos“ vor – ein Thema, das uns seit Monaten intensiv beschäftigt und zu der wir mit unserer Geschichtslehrerin eine Ausstellung erarbeitet haben. Zu erleben, wie unsere Arbeit auf so großes Interesse stößt, ist ein tolles Gefühl.
Nachmittags fahren wir nach Gernika, die Stadt, die durch die Bombardierung 1937 zum Symbol für die Schrecken des Krieges wurde. Wir besuchen das Friedensmuseum, das zum Ziel hat, dem Besucher die Prinzipien und Grundideen des Friedens nahezubringen.
Am Abend dann ein weiterer Höhepunkt: Im Theater BBK findet ein Gesprächskonzert zum Thema „Gurs: Europäische Erinnerung – vom Spanischen Bürgerkrieg bis zum Holocaust“ statt, bei dem auch wir selbst einen Auftritt haben. Vor rund 400 Besucherinnen und Besuchern und mit den Künstlern Mélina Burlaud und Gorka Robles, singen wir „Wir sind ganz junge Bäumchen“, ein Lied, das ein Internierter im Lager Gurs für die dortigen Kinder komponiert hatte. Uns wird noch einmal bewusst, wie wichtig es ist, das Erinnern lebendig zu halten.
3. Mai – das Internierungslager Gurs
Am nächsten Morgen fahren wir über die Grenze nach Frankreich. Der Tag steht ganz im Zeichen der Spurensuche. Zunächst besichtigen wir einen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.
Am Nachmittag besuchen wir das ehemalige Internierungslager Gurs. Die Sonne steht hoch, die Hitze ist drückend – und doch hören wir aufmerksam zu. Die Führung über das Gelände konfrontiert uns mit der Realität eines Ortes, an dem mehr als 60.000 Menschen interniert waren: spanische Republikflüchtlinge, unerwünschte Ausländer (z.B. Kommunisten), Sinti und Roma, französische Widerstandskämpfer und über 6.500 Jüdinnen und Juden allein aus Deutschland.
In der Gîte de Navarrenx treffen wir im Anschluss José de Sola, einen Zeitzeugen, der als Kind im Lager Gurs interniert war. Seine Erzählung überrascht uns: Statt vor allem über das Leid zu sprechen, erinnert er sich vor allem an die unerwartet schönen Momente seiner Kindheit.
Ein plötzlich aufziehendes Unwetter unterbricht das Treffen und sorgt kurz für Aufregung. Wenig später haben wir – wieder im Trockenen – die Gelegenheit, mit Claude Laharie zu sprechen – einem der profundesten Kenner des Lagers Gurs. Er hat zahlreiche Publikationen dazu verfasst, und seine Kenntnisse sind für uns ein großer Gewinn.
Abends genießen wir das Essen und die gemeinsame Freizeit. Im Laufe der Tage ist aus drei nationalen Gruppen eine wirkliche Gemeinschaft entstanden. Die Gespräche gehen über alle Sprachgrenzen hinweg.
4. Mai – Abschied und Ausblick
Am letzten Projekttag arbeiten wir in einer der fünf thematischen Gruppen weiter, die wir bereits im Vorfeld der Reise auswählen durften. Jede Gruppe hat sich einem spezifischen Aspekt der Lagergeschichte gewidmet: der Rolle von Kindern im Lager, der Situation der spanischen Republikaner, der Kunst als Widerstandsform, Humor und Satire hinter dem Stacheldraht sowie der Geschichte von Sinti und Roma. Ziel unserer Arbeit ist es, eine fundierte Materialsammlung zu erstellen, und diese visuell ansprechend aufzubereiten, damit später Schülerinnen und Schüler zu dem Thema Gurs arbeiten können.
Anschließend nehmen wir an einem der angebotenen Workshops teil, die alle das Ziel verfolgen, die Geschichte von Gurs auf kreative Weise zugänglich zu machen: In einem Atelier werden Aquarelle erstellt nach Vorlage von Werken aus Gurs oder im Soundscape-Workshop werden Briefe aus Gurs emotional vorgelesen und aufgenommen- die Erinnerungen also hörbar gemacht. Diese künstlerischen Zugänge eröffnen uns neue Perspektiven und zeigen, wie Erinnerung auch außerhalb von Texten weitergetragen werden kann.
Am Abend besichtigen wir noch das kleine, mittelalterlich geprägte Städtchen Navarrenx, bevor wir gemeinsam den Dokumentarfilm „Das Elend vergessen“ ansehen. Der Film fasst vieles zusammen, was wir in den letzten Tagen erfahren haben.
Am nächsten Tag treten wir wieder die Heimreise an- die diesmal problemlos verläuft. Was bleibt von dem Treffen, ist mehr als nur die Erinnerung an eine gelungene Begegnung. Wir nehmen mit: neue Freundschaften, vertiefte Kenntnisse rund um die Geschichte des Internierungslager Gurs und vor allem die Verantwortung, das, was wir erfahren haben, weiterzugeben.
Wir freuen uns schon auf die Fortsetzung unseres Projekts im Oktober in Berlin!
Amandine, Frida, Frido und Melia aus der J1 (Mai 2025)
Musicagurs-Projekt: Trinationale Jugendbegegnung in Gernika – Bilbao – Gurs